Gewerkschaftsambitionen bei Mercedes: Kleiner Sieg trotz Niederlage in Alabama

In einem bemerkenswerten Schritt zur Gewerkschaftsgründung verpasste die United Automobile Workers (UAW) knapp ihr Ziel, zwei Mercedes Werke in Alabama zu syndikalisieren. Trotz der Niederlage im Abstimmungsprozess – 2.045 zu 2.642 Stimmen – gilt der Versuch als historischer Erfolg, vor allem gegen den großen Widerstand, dem sich die Organisatoren ausgesetzt sahen. Die Tatsache, dass die Wahl stattfand und eine erhebliche Zustimmung fand, deutet auf eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit der Belegschaft hin. Die Widerstände gegen die Gewerkschaftsbemühungen reichten von politisch einflussreichen Personen bis hin zu lokalen Entscheidungsträgern. Der Gouverneur von Alabama und ein Stadtrat aus Tuscaloosa äußerten sich öffentlich gegen die organisierte Arbeitnehmerschaft und stuften sie als kontraproduktiv für die Interessen des Bundesstaates ein. Mercedes selbst versuchte, mit Anti-Gewerkschafts-E-Mails und Videos sowie Informationsveranstaltungen über mögliche negative Entwicklungen bei einer Unionisierung des Werkes Einfluss zu nehmen. Die UAW wirft dem Unternehmen unfaire Arbeitspraktiken vor. Ein Mitarbeiter des Werks, der anonym bleiben möchte, berichtete von den intensiven Bemühungen des Unternehmens, die Belegschaft gegen die Gewerkschaft zu positionieren. Dennoch ließen die Aktionen der Gewerkschaft bei ihm einen bleibenden Eindruck hinsichtlich der Vorteile einer solidarischen Arbeitnehmerschaft. So führte bereits die Aussicht auf eine mögliche Gewerkschaftseinbindung dazu, dass Mercedes das Stundenlohngefüge verbesserte und eine Verkaufsbonusregelung einführte – Schritte, die aus Sicht des Arbeiters längst überfällig waren. Bezeichnend für das gestiegene Arbeiterbewusstsein waren auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Seit den 1990er Jahren gab es immer wieder Ansätze zur Gründung einer Gewerkschaft, aber nie kam es zur Abstimmung. Ein neues Urteil des arbeiterfreundlichen National Labor Relations Boards unter der Biden-Administration erleichterte jedoch das aktuelle Votum maßgeblich. Der Fall erinnert an das Volkswagen-Werk in Chattanooga, Tennessee, wo die Arbeiter als erste in einem nicht gewerkschaftlich organisierten Auto-Werk im Süden der Vereinigten Staaten für eine Mitgliedschaft in der UAW stimmten. Für den anonymen Mitarbeiter war der Wahlprozess eine Gratwanderung zwischen Loyalität zum Arbeitgeber und dem Wunsch nach mehr Respekt und Anerkennung im Arbeitsumfeld. Seine letztliche Entscheidung für die Gewerkschaft drückte die Hoffnung auf Veränderung aus. Selbst nach der verlorenen Abstimmung bleibt der Glaube an einen erneuten Anlauf und das Bewusstsein, Teil eines historischen Augenblicks gewesen zu sein.