Mercedes enttäuscht Anleger: Mangel an Wachstumsimpulsen sorgt für Frustration an der Börse

8.12.2023, 08:00

Schwächelnde Elektroautoverkäufe und wachsende Rabatte drücken die Aktie; erste Investoren hinterfragen Luxusstrategie, Vorstand zögert.

Die schwächelnden Elektroverkäufe und steigende Rabatte plagen den schwäbischen Autobauer. Die Luxusstrategie des Vorstands wird von ersten Investoren in Frage gestellt, während das Unternehmen selbst zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schwanken scheint. Mercedes-Benz träumt davon, an der Börse ähnlich hoch bewertet zu werden wie Luxusgrößen wie Ferrari oder LVMH. Doch während Ferrari und LVMH Kurs-Gewinn-Verhältnisse von 20 bis 50 vorweisen können, liegt Mercedes aktuell nur bei vier.

Diese niedrige Bewertung spiegelt sich auch in der Marktkapitalisierung des Unternehmens wider, die nur etwa dem Vierfachen des erwarteten Nettogewinns für 2023 entspricht – ein äußerst niedriger Wert für börsennotierte Unternehmen. Der Fondsmanager Moritz Kronenberger von Union Investment äußerte gegenüber dem Handelsblatt eine vorsichtige Einschätzung für Mercedes. In den einzelnen Baureihen gebe es momentan keinen Katalysator für Wachstum, während die Nachfrage nach Elektroautos stagniere und der Wettbewerb zunehme. Kronenberger bemängelt zudem eine "Produktlücke" bis zur Markteinführung der nächsten Generation von Elektroautos im Jahr 2025 und die mangelnde Performance von aktuellen Hoffnungsträgern wie der Akkulimousine EQS.

Auch das dritte Quartal fiel bei Mercedes schlechter aus als erwartet. Probleme bei der Zulieferung von 48-Volt-Bordnetzen durch den Hoflieferanten Bosch führten dazu, dass zehntausende Fahrzeuge nicht produziert werden konnten. Finanzchef Harald Wilhelm rechnet zwar immer noch mit einer operativen Marge von 12-14% für die dominante Autosparte im Gesamtjahr, jedoch nur noch in der unteren Hälfte des Korridors. Diese Einschränkung wurde von vielen Anlegern als versteckte Gewinnwarnung interpretiert, was zu einem deutlichen Einbruch des Aktienkurses führte.

Analysten haben ihre Kursziele korrigiert, was auf fehlende Glaubwürdigkeit der Unternehmensstrategie hinweist. Ein langjähriger Mercedes-Veteran bemängelt, dass man die Analysten zu sehr umworben und falsch informiert habe. Nun zeige sich das Ergebnis dieser Strategie. Während das durchschnittliche Kursziel der Analysten für das Jahr 2024 immer noch rund 30% über dem aktuellen Börsenwert von 66 Milliarden Euro liegt, haben einige Experten wie die Deutsche Bank bereits höhere Kursziele genannt.

Intern herrscht mittlerweile Nervosität und Frustration, da das Ziel einer Verdopplung des Börsenwerts im kommenden Jahr immer unrealistischer erscheint. Laut einem Finanzexperten muss das Unternehmen kämpfen, um im vierten Quartal nicht schwächer abzuschneiden als im dritten. Die Elektroautos tragen aufgrund ihrer geringen Profitabilität zu einem Teil der Probleme bei, und auch die nächste Generation von Stromern droht nicht die gewünschten Renditen zu bringen.

Ein Topmanager warnt sogar davor, dass das Unternehmen ohne überlegene Margen im Luxussegment in ernsten Schwierigkeiten sei. Die gesamte Börsenstory von Mercedes basiere auf der Profitabilität des Unternehmens. Als Ola Källenius im Jahr 2019 vom Entwicklungsleiter zum CEO aufstieg, erhielt er den klaren Auftrag, den Börsenwert des Unternehmens zu steigern. Gemeinsam mit Finanzvorstand Wilhelm hat er den Konzern radikal umgebaut, unter anderem durch den Verkauf der Lkw-Division und des Mobilitätsservices und die Schließung unrentabler Baureihen. Doch das Ziel einer hohen Profitabilität erweist sich aktuell als schwierig.

Dabei sollen Elektroautos eine Schlüsselrolle spielen, weshalb das Unternehmen sich bis 2030 als "electric only" positionieren will. Allerdings haben derzeit noch neun von zehn Neuwagen einen Verbrennungsmotor. Die Elektroautos, die Mercedes bereits auf den Markt gebracht hat, konnten nicht überzeugen – das erste Strom-SUV der Marke, der EQC, wurde aufgrund mangelnder Nachfrage wieder eingestellt. Auch die Folgemodelle EQA und EQB bieten technisch keine Alleinstellung und die Designs der Spitzenlimousinen EQE und EQS stoßen potenzielle Kunden ab.

Besonders enttäuschend sind die Verkaufszahlen des EQS, der nicht einmal dieursprünglich kalkulierten 50.000 Einheiten pro Jahr erreichte. Stattdessen stagnieren die Verkäufe in den USA und sind in China und Europa sogar rückläufig. Mercedes hat nun begonnen, verstärkt Rabatte von mehr als 15% zu gewähren, was jedoch das Luxusimage der Marke beeinträchtigt und von Investoren kritisiert wird.

Ein Fondsmanager von Union Investment meint, dass die Luxusstrategie von Mercedes nicht falsch sei, jedoch die richtige Verknappung von Angebot und Nachfrage fehle. Eine Reduzierung der jährlichen Fahrzeugverkäufe auf eine Million statt der aktuellen zwei bis drei Millionen könnte die Marke tatsächlich zu einem Luxuskonzern machen. Andernfalls bleibe Mercedes lediglich ein Premiumhersteller mit einer Luxussparte, dessen langfristige Aussichten hinsichtlich zweistelliger Margen zweifelhaft sind.

Mercedes-Vorstandschef Källenius setzt jedoch weiterhin auf das Ziel der Massenluxusproduktion, doch es brauche Zeit für die Umsetzung angesichts der langen Entwicklungszyklen. Ob sich diese Strategie auszahlt, wird sich erst nach der Einführung der neuen Plattformen im Jahr 2025 zeigen. Bis dahin bleibt die Luxusstrategie von Mercedes fraglich und der Aktienkurs weiterhin unter Druck.

Mercedes bereitet sich auf den Start eines elektrischen Produktfeuerwerks vor. Innerhalb eines Jahres werden drei Modelle der Mittelklasse auf den Markt gebracht - CLA, GLC und C-Klasse - allesamt mit Elektroantrieb. Laut einem Entwickler werden diese Fahrzeuge beeindruckend sein. Jede Baureihe wird mit einem "Supercomputer", einem ausgedehnten Bildschirm und 800-Volt-Technologie für schnelles Laden ausgestattet sein. Die Balken werden hoch gesetzt, denn Mercedes strebt Reichweiten von bis zu 800 Kilometern an und setzt auf ein opulent-konservatives Design. Ein Insider erklärt selbstbewusst: "Der Schuss wird sitzen."

Allerdings herrscht an der Börse aktuell eine gewisse Besorgnis. Investoren fürchten, dass die hohen Gewinne der vergangenen Jahre vor allem aufgrund der Sonderkonjunktur und des Chipmangels erzielt wurden, was zu überhöhten Preisen für Endverbraucher und Gewerbekunden führte. "Die Flut hebt alle Boote", spöttelt ein Kritiker. Trotzdem kann Mercedes auf seine strukturellen Verbesserungen und erfolgreichen Maßnahmen verweisen.

Die Fixkosten wurden reduziert und der Fokus auf profitablere SUVs und Limousinen gelenkt. Dies führte zu einem durchschnittlichen Verkaufspreis von fast 75.000 Euro im Jahr 2021 im Vergleich zu 51.000 Euro im Jahr 2019. Seit dem Amtsantritt von CEO Ola Källenius wurde die Nettoliquidität von Mercedes von 6,6 auf über 28 Milliarden Euro gesteigert. Das Unternehmen erwirtschaftet nun jährlich einen freien Cashflow von mehr als acht Milliarden Euro und zahlt die höchste Dividende im Dax aus. Dennoch konnte weder die großzügige Gewinnbeteiligung noch das Programm zum Rückkauf von Aktien den Börsenwert der Schwaben langfristig ankurbeln.

Der nächste wichtige Test steht bevor, nämlich wenn die weltweite Konjunktur einen deutlichen Abschwung erleben sollte. Dann müssen die Gewinne von Mercedes ihre Beständigkeit unter Beweis stellen, um das Image als zyklische Automobilaktie abzulegen und eine höhere Bewertung der Aktie zu rechtfertigen, meint Simon Jäger, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch. Die Zukunft von Mercedes als führendes Unternehmen in der Automobilindustrie hängt davon ab, wie es diese Herausforderungen meistern wird. Mit ihrem ehrgeizigen Plan, elektrische Bestseller auf den Markt zu bringen und gleichzeitig auf solide finanzielle Grundlagen zu setzen, ist die Marke auf einem vielversprechenden Weg in die Zukunft.

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